Familie

Mama allein zuhause – Kitafrei ins Leben?

By August 2, 2018 One Comment

Was haben Mode und Erziehung gemeinsam? Nicht wirklich viel, aber beide sind von Trends bestimmt, die kommen und gehen und sich manchmal auch wiederholen. Einer davon ist die „Anti-Kita-Bewegung“: Seit einigen Jahren stößt man immer wieder auf Berichte über Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita oder Krippe geben, sondern sechs Jahre zuhause betreuen, bis sie in die Schule kommen, aktuell wird wieder auf Blogs wie Stadt Land Mama heiß darüber diskutiert.

Selbstbetreuung vs. Fremdbetreuung

„Kitafrei aufwachsen“ oder „Selbstbetreuerin“ sind Schlagworte, die sich auf Seiten wie Kindergartenfrei finden. Anhänger der Bewegung misstrauen der öffentlichen Erziehung, jeder Bericht über Probleme, Erziehermangel oder schlechte Betreuungsqualität bestärkt die Kitafrei-Mütter in ihrer Entscheidung, die Kinder zuhause zu lassen. Sie nennen sich „Selbstbetreuerinnen“ als Gegenpol zur „Fremdbetreuung“ durch die Erzieher im Kindergarten. Die Mütter sagen selbst, dass sie sich frei fühlen durch ihre Entscheidung, die Kinder nicht „wegzugeben“, sondern sie 24 Stunden am Tag bei sich zu haben. Aber haben sie sich wirklich aus freien Stücken dazu entschieden? Interviews und Erfahrungsberichte zeigen immer das gleiche: Eine missglückte Kita-Eingewöhnung, aus der heraus dann das Modell der Selbstbetreuung entstanden ist. Das heißt, viele Eltern haben diese Betreuungsform nicht als ersten Weg gewählt, sondern durch Eingewöhnungsversuche festgestellt, dass es so nicht funktioniert. Für sie. Für ihre Kinder. Wie viel Selbstbestimmung steckt dann noch drin, in dieser „freien“ Entscheidung? Lag es vielleicht doch an der falschen Kita und nicht an dem Modell Kindergarten oder Krippe an sich.

Karriere adé, ich bleibe jetzt zuhause

Und überhaupt muss man sich dieses Modell auch leisten können. Bleiben die Kinder zuhause, muss zwangsläufig auch ein Elternteil daheimbleiben und kann in dieser Zeit nicht arbeiten. Juliane Scheel hat sich dafür eingeschränkt: Sie und ihre Familie wohnen auf zweieinhalb Zimmern, verzichten auf Urlaub, Auto und teure Klamotten. Ihre Arbeit als Texterin hat sie für die Betreuung des Kindes an den Nagel gehängt. Als „Hausfrau“ nach dem klassischen Modell der 50er Jahre sehen sich die „Selbstbetreuerinnen“ dennoch nicht, da es ja ihre freie Entscheidung sei, zuhause zu bleiben, und diese nicht vom Ehemann bestimmt wurde.

Option Tagesmutter

Die „Zuhause-beib-Mütter“ sehen in ihrer Lebensweise die Freiheit, die berufstätige Mütter gerade darin sehen, ihre Kinder einen Teil des Tages fremdbetreuen zu lassen, um einer eigenen Arbeit nachzugehen und womöglich Karriere zu machen. Dies ist den Selbstbetreuerinnen nicht (mehr) wichtig, alles Tun ist auf die Bedürfnisse des Kindes ausgerichtet. Dabei muss es ja gar nicht schwarz oder weiß sein, es gibt Alternativen: Wer Hemmungen davor hat, sein Kind in eine größere Kita-Einrichtung in die Hände „fremder“ Erzieher zu geben, sollte sich die Option einer Tagesmutter überlegen. Hier bestehen die Gruppen meist aus nicht mehr als fünf Kindern, die Betreuungssituation wirkt familiärer, da viele Tagesmütter (und immer mehr Tagesväter!) ihre Schützlinge in den eigenen vier Wänden betreuen. Und am Nachmittag bleibt den Eltern noch genug Zeit mit ihren eigenen Kindern. Auf www.yoopies.de finden Eltern eine große Auswahl an geeigneten Betreuern in ihrer Nähe.

 

 

 

 

Photo Credit: Picture by Josh Willink Creative Commons CCO via Pexels

Sergio Bellon

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  • Angela Schulz says:

    Naja, ich finde dieser Artikel ist sehr stark schwarz-weiß… Obwohl du hier ja auf einen Artikel verweist, dass gerade diese Denkweise eher negativ ist. Nicht jede Mutter die Zuhause bleibt, verzichtet zwangsweise auf Karriere – es gibt so viele Konzepte wie z.B. Vater und Mutter teilen sich Home-Officezeiten, so dass immer jemand da ist oder die Kinder wachsen in einem Generationenhaus auf und bleiben ein oder zweimal die Woche bei der Oma. Und nicht jede Frau verzichtet auf Karriere – die meisten verzichten wohl eher auf einen doch sehr eintönigen und langweiligen Beruf – es ist ja heute noch lange nicht so, dass jede Frau in irgendwelchen Top-Positionen arbeitet. Ist es (in der heutigen Zeit) so schwer zu glauben, dass Frauen in der Mutterrolle mehr Erfüllung als in ihrem Beruf finden? Und aus welchen Gründen nun die Selbstbetreuung gewählt wird (aus Überzeugung oder missglückter Eingewöhnung) ist doch letztlich egal. Es gibt ja auch genügend Mütter, die ihre Kinder schreiend und strampelnd von den Erzieherinnen festhalten lassen, während sie aus der Kita “flüchten”. Ob eine Eingewöhnung missglückt ist, ist also doch am Ende auch eine Beurteilung, welche die Eltern selbst vornehmen. Und ein “Trend” ist die Selbstbetreuung ganz sicher nicht – denn entscheidet man sich für die Selbstbetreuung, muss man sich ständig und überall rechtfertigen und wird laufend kritisiert. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso sich die Mütter, die ihre Kinder gerne in eine Kita geben möchten, überhaupt so über die Selbstbetreuer/innen ärgern? Sollen Sie doch eher froh sein, dass sie dadurch bessere Chancen auf einen Kita-Platz haben! Hier z.B. herrscht Kitaplatz-Mangel, da kann man doch froh über jeden Platz sein, auf den weniger Bewerber kommen – oder nicht? Was ich aber sehr auffällig finde: Von den “Kitafrei-Müttern” habe ich noch nie erlebt, dass diese schlecht über Mütter sprechen, die sich für eine Fremdbetreuung entscheiden (müssen). Hingegen erlebe ich es immer wieder, dass diese die “Kitafrei-Mütter” kritisieren und über ihre Lebensweise herziehen. Sollte nicht jeder frei sein, einfach eine Entscheidung zu treffen, ohne dass von ihm oder ihr Rechtfertigungen erwartet werden?

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